Am 8. April 2018 war es soweit. Zusammen mit Uwe Becker von MEINL stieg ich in den Lufthansa-Airbus Richtung Beijing. Nach einem entspannten Nachtflug landeten wir gegen 8.30 Uhr morgens in China. Abgeholt wurden wir von Jason, einem wunderbaren Artist-Betreuer von Tellmusic, der von nun an für die nächsten 10 Tage dafür sorgte, dass ich mich wohl und vertraut fühlte.

Im Anschluss ging es gleich mit dem Auto weiter nach Langfang, einer 4 Millionen Einwohnerstadt im Norden Chinas in der Provinz Hebei. Am Nachmittag bezogen wir das Hotel, konnten uns ausruhen und haben dann vortrefflich gespeist.
Abends fuhren wir zum ersten Venue, einem Hotel mit großem Veranstaltungssaal in der oberen Etage. Hier wurde vom Team das erste Setup für das Drum Circle Training für 45 Teilnehmer*innen aufgebaut.

9. April, 9.00 Uhr, das 1. und 2. Training beginnt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer spielen ein richtig guten Groove. Nach einer Weile gehe ich in die Mitte und moderiere, facilitiere und orchestriere den Drum Circle. Bei allen Teilnehmenden kommt Freude auf. Ah, so funktioniert das. Wir haben alle eine Menge Spaß. Im Anschluss stelle ich die Methode des Drum Circles vor, berichte über die Idee und die Mission die dahinter steht, welche Vorteile gemeinsames Trommeln in der Gruppe hat und welche Entwicklung der Drum Circle in den letzten 30 Jahren erlebt hat.

Mein Schwerpunkt liegt an diesem Vormittag auf dem Umgang mit Körpersprache. Am Nachmittag erlebe ich, wie alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Lust, Neugier und Kreativität in die Mitte des Drum Circle gehen und mit Freude moderieren. Ich bin wirklich beeindruckt. Gegen Ende des ersten Trainings tauschen wir uns aus, ich darf interessante Fragen beantworten und berichten, wie sich der Drum Circle Bewegung in Europa entwickelt und wie viel Potential in dieser Methode steckt.

Am nächsten Morgen ging es mit dem Auto weiter nach Baoding, einer knapp 2 Millionen Einwohnerstadt ebenfalls in der Provinz Hebei gelegen. Nach ca. drei Stunden kamen wir im Hotel an, konnten uns ein wenig ausruhen und haben uns dann zu einer Besprechung bei fantastischem Essen getroffen. Abends fuhren wir zum Venue und erledigten die Feinabstimmung für das Setup. 45 Teilnehmende aus den verschiedensten Berufen sollten uns am nächsten Tag erwarten.

11. April, 9.00 Uhr, das 3. und 4. Training beginnt. Auch hier war ich von der Dynamik beeindruckt. Schnell fanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen gemeinsame Groove, waren hochkonzentriert und hatten eine Menge Spaß. Nach der "klassischen chinesischen Mittagspause" die nahezu drei Stunden geht, habe ich auch so langsam gelernt, es mir einfach irgendwo gemütlich zu machen und ein wenig zu ruhen. Es funktioniert. Mit ausgeruhtem Körper und wachem Geist geht es weiter. Nun facilitieren und orchestrieren die Teilnehmer. Es macht allen sichtlich große Freude und ich bin mehr als beeindruckt, mit welcher Energie und Einfallsreichtum sie zum Teil ganze Geschichten aus der Mitte entstehen lassen. Hier lerne ich eine ganz andere neue "Art of Facilitation" kennen und bin dankbar, dass ich selbst so viel lernen darf. 

Am Abend sind wir dann in einer sehr großen Gruppe gemeinsam Lobster essen gegangen. Wahrlich eine Herausforderung. Auch habe ich gelernt, wie man in China Bier trinkt. Kleine Gläser - kaum Alkohol - jedes mal aufstehen - sich zuprosten, wobei das Glas (wie übrigens auch alles andere) immer mit zwei Händen gehalten wird - und dann auf Ex!

Am nächsten morgen ging es früh zum Bahnhof um mit dem Transrapid (400 km/h) 1200 km zurückzulegen. Nachmittags kamen wir in Jing Zhou, einer 6,5 Millionen einwohnergroßen Stadt in der Provinz Hubei im Süden Chinas an. So langsam spüre ich, was eine permanente Luftverschmutzung bedeutet. Fast jeder trägt eine Maske - oft passend zum Outfit. Ich bin in einem sehr ruhigen Hotel untergebracht und ruhe mich ein wenig aus. Versuche die letzten Tage Revue passieren zu lassen und genieße einfach nur das Sein! Am Abend fahren wir zu einem wunderschön gelegenen Kulturcenter. Hier vereinen sich Kunst, Kultur, Musik, Interieur, Essen, Ruhen...ich bin einfach nur überwältigt. Es ist das schönste Venue dieser Reise. Mitten in diesem Kulturcenter darf ich das VivaRhythm Drum Circle Training anbieten. Wie bereiten alles vor und gehen noch ein wenig durch die Straßen schlendern.

13. April, 9.00 Uhr, das 5. und 6. Training beginnt. 25 Teilnehmer*innen erwarten uns. Sind neugierig, sehr jung und aufgeregt. Diesmal sind die Berufsgruppen noch unterschiedlicher: Gitarrenlehrer, Sänger, Klavierspieler, Lehrer aus staatlichen und privaten Musikschulen, Musiktherapeuten und Trommellehrer. Beim ersten Drum Circle spüre ich, wie hochkonzentriert und motiviert alles sind. Alle reagieren aufeinander, hören zu, geben sich gegenseitig Raum. ich bin tief beeindruckt. Die Energie des wunderschönen Ortes überträgt sich auf den Drum Circle, auf das Training und auf die Stimmung aller. In der Mittagspause, die ich mittlerweile absolut lieben gelernt habe, unterhalte ich mich mit den Künstlerinnen über ihre Gemälde und Jason übersetzt mit einer hingebungsvollen Ruhe. Am Nachmittag üben wir verschiedene Icebreaker, Rhythmusspiele und ich habe Zeit und Raum um ausführlich auf die einzelnen Fragen einzugehen. Es ergeben sich interessante Diskussionen über Einsatzmöglichkeiten von Drum Circles in China und wie das Format gestaltet werden kann. Während des gemeinsamen Drum Circles in dem viel Wert auch kleine Percussioninstrumente gelegt wird, kommt die 5 Tone Bell von Pete Engelhardt zum Einsatz. Es entstehen son traumhafte meditative Sequenzen.

Nach dem Training fährt uns Yuan Na, eine Schülerin und begeisterte Trommlerin, Jason, meinen Übersetzer, Abou, den Organisator vor Ort, zum "Jingzhou Historical and Cultural City Area". Hier führen wir auf historischem Boden Gespräche über die Lebensweise der Chines*innen und entwickeln neue Ideen für die VivaRhythm Drum Circle Trainings. Ich genieße diesen Ausflug und lerne ein wenig über die Geschichte dieses großen Landes kennen. Alle kümmern sich um mich, erklären mir die geschichtlichen Zusammenhänge und sind stolz. Ich bin zutiefst dankbar, dass sie diese Zeit mit mir teilen und mir einen kleinen Einblick in die chinesische Kultur geben. Zum Abschluss fahren wir noch an der riesengroßen Yangtze River Bridge vorbei und gehen in den Abend spazieren. Voll von diesen wunderbaren Eindrücken genieße ich wieder in einer großen Runde ein vorzügliche Mahl und falle müde ins Bett.

Am nächsten Morgen geht es nochmals knapp 600 km südwestlich weiter nach NanChang. Eine kurze Strecke mit dem Transrapid. Diese Stadt hat knapp über 5 Millionen Einwohner*innen und gehört zur Provinz Jiangxi. Nachdem wir das Hotel bezogen hatten fuhren Jason und ich zum Venue. Am nächsten morgen sollten uns über 60 Teilnehmer*innen erwarten, überwiegend Djembe-Lehrer und Lehrerinnen. OK, ich nehme die Herausforderung an. Als das Setup fertig gestellt wurde, und das Team alle Stühle in drei konzentrischen Kreisen ausgerichtet hatte, kam plötzlich Unruhe auf. Es stellte sich heraus, dass sich noch ca 20 weitere Interessent*innen angemeldet hatten. In Windeseile wurden weitere Trommeln und Percussioninstrumente vom lokalen MEINL Vertrieb organisiert und die Hotelangestellten halfen, den Rest des Equipments in den Raum zu bringen. Wir schlenderten noch ein wenig durch die Straßen bis wir am Hotel angekommen waren. Wie fast jeden Abend organisierte Jason Bananen und Studentenfutter für mich, falls ich nachts Hunger bekommen sollte.

15. April, 9.00 Uhr, dass 7. und 8. Training beginnt und somit auch das letzte dieser 1. MEINL VivaRhythm Tour 2018. Ich komme in den Raum und freue mich, wieder bekannte Gesichter vom Tellmusic Team zu sehen. Haben sich mich doch die ganze Zeit so still und ruhig begleitet, mir all die Auf- und Abbauarbeit abgenommen, sich um mein Wohl gesorgt, dass fast schon familiäre Gefühle aufkommen. Denn wo ich auch war, wo ich auch übernachtet habe, wo ich auch gegessen habe, ich war überall die einzige Ausländerin. Und da freue ich mich ein lächelndes Gesicht zusehen, welches ich wieder erkenne. Jason stellt mir wieder frischen Tee und meine 2 Liter stilles Wasser bereit und der Drum Circle beginnt. Wow! Was für einen Energie, was für eine Dynamik! Laut, expressiv, voll über voll von Djembesoli! Meine Kolleg*innen wissen sicher, was es bedeuten kann, wenn fast 80 Djembelehrer*innen an einem Drum Circle teilnehmen. Es dauert ein wenig, bis sich die Wahrnehmung sensibilisiert, die Energie etwas rausgenommen wird und sich die Achtsamkeit wohlwollend in den Drum Circle schleicht.
Es ist wunderbar, wenn dieser Moment eintritt und wir alle haben ihn genossen. Dank Arthurs Methode "teach without teaching" und mein tiefes Vertrauen, dass wir alle ein Synchronisationbedürfniss in uns haben, gestaltete sich bald ein feiner Drum Circle. Am Nachmittag war ich wieder tief bewegt und beeindruckt, welch frische Ideen die Teilnehmenden selber in der Mitte des Drum Circles beim Facilitieren und Moderieren ausprobiert haben. Je mehr die Aufmerksamkeit stieg, desto mehr stieg die Wahrnehmung um "music in the moment" zu kreieren. Respekt, Dankbarkeit und ja - auch ein wenig Demut - spüre ich in meinem Herzen.

Auch dieser Abend klingt an einem reich gedeckten Tisch aus. Ich habe hier wirklich das chinesische Essen schätzen und vor allen Dingen lieben gelernt. Auch die Art und Weise wie gemeinsam gegessen und geteilt wird und alle immer besorgt sind, dass es einem schmeckt. Und ja, wenn mir etwas ganz besonders geschmeckt hat, dann habe ich es nicht aufgegessen, denn, Kenner*innen wissen es, ist der Teller leer...schwupps steht ein neu gefüllter vor einem.

Zurück im Hotel ruhe ich mich aus, packe meinen Koffer und lege meine Papiere zurecht. Am nächsten Morgen geht es mit einem Inlandsflug zurück nach Beijing. Jason begleitet mich zum Flughafen und bittet mich immer wieder, dass ich mich auf jeden Fall melden soll, wenn ich in Beijing angekommen bin. Ganz wohl ist ihm nicht, mich jetzt alleine zu lassen. Wir verabschieden uns am Checkin und zack, das erste Problem. ich soll meinen Handgepäck öffnen. Heraus kommt die 5 Tone Bell von Pete Engelhardt. Mit Händen und Füßen erkläre ich, dass es ein Instrument ist, suche hektisch den gummierten Schlägel und fange an auf dem Airport NanChang zu spielen. Ein Lächeln kommt mir entgegen und ein Handzeichen, dass ich beruhigt wieder einpacken kann. Englisch funktioniert hier nicht mehr.
Nach knapp drei Stunden Flugzeit komme ich an, werde schon von einem Taxifahrer erwartet, der mich zu meiner letzten Unterkunft bringt. 

18. April, 11.00 Uhr Heimflug von Beijing nach Berlin mit einem kurzen Zwischenstopp in Wien. Ich genieße den Flug und merke wieder, wie sehr ich fliegen und reisen liebe. Neue Begegnungen, neue Erfahrungen, neue Lernmomente. Doch dieses mal ist etwas anders. Dieses mal schwingt noch eine tiefe Dankbarkeit mit, dass meine Drum Circle Arbeit mich soweit hat reisen lassen...

An diese Stelle möchte ich MEINL für die großartige Unterstützung danken. Auch das Uwe Becker von MEINL mich die ersten 2 Tage begleitet hat. Hill Gao und all seinen Mitarbeiter*innen von Tellmusic/China für die Organisation, Werbung und Begleitung vor Ort. Jason Xie für seine Übersetzung und sein Achtgeben auf mich. Und natürlich all den 180 Teilnehmer*innen des 1. VivaRhythm® Drum Circle Trainings in China.

Ricarda Raabe, im November 2018